Die dunkle Hälfte
6.45 Uhr. Es ist noch stockdunkel in Rostock, wenn ich aufstehe. Ich schalte alle Lampen an – morgens mit einem Strom aus Licht und Kaffee, abends mit Kerzen und Cognac. Doch zunächst folgt der Werktag: Tagsüber begleitet mich unheilvolles Dämmerlicht, das mit wagnerianischen Klängen untermalt werden möchte. Im Büro eine Lichtinsel! Doch hinter dem Fenster ein verhangener Himmel und schon ab 15.00 Uhr ein kahler, ausgeblichener Mond. Zum Feierabend hin trete ich wieder hinaus in die kalte, schwarze Nacht.
Das in anderen Wintern reflektierend erhellende Schneeweiß entfällt in diesem Jahr leider: Was am Boden bleibt, ist schwarz glänzender Asphalt, unterbrochen durch dunkle Pfützen und zerstampfte Feuerwerksabfälle. Ich knöpfe den alten Lodenmantel zu und mache mich auf den Heimweg. Wie leben andere? Ein mir bekanntes Paar verbringt das Mecklenburger Winterhalbjahr auf Mallorca. Andere heben das Gemüt mit Sonnenbänken und Barbesuchen. Düstere Gedanken, doch am Ende des Tunnels ist Licht: Meteorologen sagen einen heißen, hellen Warnemünder Strandsommer 2007 voraus. Das Warten lohnt sich!
8. Januar 2007 um 12:07
Uahh…
»Tagsüber begleitet mich unheilvolles Dämmerlicht, das mit wagnerianischen Klängen untermalt werden möchte….Doch hinter dem Fenster ein verhangener Himmel und schon ab 15.00 Uhr ein kahler, ausgeblichener Mond. Zum Feierabend hin trete ich wieder hinaus in die kalte, schwarze Nacht.«
…und in der kalten schwarzen Nacht zuviel Rilke gelesen, würde ich sagen.
Ich empfehle ein Fernreise im Feb/Mrz – verkürzt den Winter doch sehr!
8. Januar 2007 um 12:33
Was sagst Du dazu, Rainer Maria?
»Du Dunkelheit, aus der ich stamme
ich liebe dich mehr als die Flamme,
welche die Welt begrenzt,
indem sie glänzt…
Aber die Dunkelheit hält alles an sich:
Gestalten und Flammen, Tiere und mich, wie sie’s errafft,
Menschen und Mächte – …
Ich glaube an Nächte.«
(Rainer Maria Rilke, 1919)
8. Januar 2007 um 14:59
5:47 Uhr. Es ist immer stockdunkel in Rostock, wenn ich versuche aufzustehen. Gern würde ich eine Deckenlampe besitzen – morgens mit etwas Strom, abends mit alten Lappen und Benzin betrieben. Doch es folgt nur ein weiterer trister Tag, der mit Klängen von »The Ninth Gate« untermalt werden könnte, und der Stromkasten bleibt versieget…
8. Januar 2007 um 15:01
Es beruhigt mich doch ein wenig, dass auch die dunklen Seiten anderer Seelen, wenn auch in anderem Rythmus, zu schwingen vermögen. In meiner eigenen kleinen Welt taucht ein ähnliches – als Hebstdepri bekanntes – Stimmungstief auf und wie schon das Wort andeutet, vorrangig etwas früher, so im November.
Dagegen empfinde ich den Winter, auch oder gerade wenn er wie im letzten Jahr verschneit, mit einer kalten Klarheit daherkommend und recht lange währt, als eine Art Reinigung, ein Loseisen von alten Wünschen und Neuerfindung dergleichen.
Wie dem auch sei, erfahrungsgemäß wird in der kalten Jahreszeit auch die Form begründet, mit der es in der lichten Hälfte Rekorde zu brechen gilt.
So sei es! Also ran an die Buletten.
8. Januar 2007 um 15:02
@hin- und herr richter: “rilke gelesen”!? da lebt wohl jemand im zeitalter der mechanik. heutzutage wird rilke gehört. vorgelesen von namenhaften persönlichkeiten, die durchaus auch gesichtslos gutes geld mittels ihrer stimmen machen dürften. ben becker sei da nur erwähnt.
@ekkard: trag der ferne licht im geiste nah bei dir. die wärme läßt sich nicht vergessen, wenn sie den kopf nicht verläßt. kurz um: es wird auch mal wieder richtig sommer.
8. Januar 2007 um 15:06
Winter? Wo? Hab ich etwas verpasst? New York City, 07.01.07 = 22°C
http://www.wetteronline.de/cgi-bin/klimavar?ART=MAX&CONT=namk&WMO=x0285&LANG=de
Das ist doch kein Winter! Ich finde, da könnte man das mit der Dunkelheit auch abschaffen, oder?
8. Januar 2007 um 15:17
Was Rudi dazu gesagt hätte:
»Wir brauchten früher keine große Reise,
wir wurden braun auf Borkum und auf Sylt
Doch heute sind die Braunen nur noch Weiße,
denn hier wird man ja doch nur tiefgekühlt
Ja früher gab’s noch Hitzefrei,
das Freibad war schon auf im Mai
ich saß bis in die Nacht vor unserm Haus
Da hatten wir noch Sonnenbrand und Riesenquallen an dem Strand
und Eis, und jeder Schützmann zog die Jacke aus
Und was wir da für Hitzewellen hatten,
Pulloverfabrikanten gingen ein
Da gab es bis zu 40 Grad im Schatten,
wir mußten mit dem Wasser sparsam sein
Die Sonne knallte ins Gesicht,
da brauchte man die Sauna nicht
ein Schaf war damals froh,
wenn man es schor
Es war hier wie in Afrika,
wer durfte machte FKK
doch heut, heut summen alle Mücken laut im Chor
Der Winter war der Reinfall des Jahrhunderts,
nur über 1000 Meter gab es Schnee
Mein Milchmann sagt, dies Klima hier wen wunderts,
denn Schuld daran ist nur die SPD
Ich find das geht ein bißchen weit,
doch bald ist wieder Urlaubszeit
und wer von uns denkt da nicht dauernd dran
Trotz allem glaub ich unbeirrt,
daß unser Wetter besser wird
nur wann, und diese Frage geht uns alle an.«
(Rudi Carell, 1976)
8. Januar 2007 um 15:26
@ Ekkard: Du kannst Freunde haben! …
Nein – mal im Ernst, Du arbeitest doch in der Werbebranche. Da steht man doch erst auf, wenn es hell ist und geht auch bevor es wieder dunkel wird.
…
Naja … dass dazwischen auch mal über 24 Stunden liegen können, behalten wir aus Diskretionsgründen liebr für uns
8. Januar 2007 um 16:28
4:30 – Mein Kater Oskar kratzt an der Tür. Er hat die ganze Nacht – seit ich ihn um 23:00 am Vortag reinholte – unter dem Tannenbaum geschlafen. Ich stehe nun schlaftrunken auf und torkele zur Tür. Dort sehe ich einen Schatten sitzen. Ich öffne die Tür, der Schatten huscht in die Nacht. Ich schließe die Tür wieder.
Gerade, als ich mich wieder zugedeckt habe, kratzt es erneut. Ich schlurfe wieder zur Tür und blicke in zwei grün leuchtende Augen. Das wird nun Oskar sein, denke ich. Ich muss wohl Fridolin, unseren anderen Kater, rausgelassen haben. Er sollte doch nicht so früh raus!?
Mit diesen anstrengenden Gedanken in meinem Oberstübchen werde ich langsam wach, begebe mich aber trotzdem noch einmal auf den Weg ins Bett. wieder am wegschlummern, kratzt es erneut. Ich wieder zur Tür (nun schon etwas forscheren Schrittes). Ich öffne sie und draußen sitzt Fridolin. “Komm rein”, flüstere ich mürrisch. Er lässt sich Zeit, weiß nicht so genau, entschließt sich dann doch aber für den warmen Flur.
Gegen 5:30 Uhr kratzt es wieder …. OSKAR! denke ich fast brüllend …. …..
Naja – wir sind erst bei 5:30 Uhr angelangt. So geht es JEDEN Tag! Um diesen Eintrag aber nicht ausufern zu lassen, breche ich an dieser Stelle ab. Letztlich könnt ihr euch aber vorstellen, dass mich das Wetter zu dieser Zeit nicht die Bohne interessiert. Dunkel ist es immer – ob Sommer oder Winter… (das reimt sich sogar
)
8. Januar 2007 um 16:27
In der Werbebranche wird ja hauptsächlich Schaumwein verkonsumiert und zwischendurch die geniale Idee geboren. Das Ergebnis dieses Treibens sind Reichtum, Größenwahn und folgerichtiger Untergang. Sekundärquellen: Siehe hierzu auch »Aufstieg und Fall des Römischen Reiches.«
8. Januar 2007 um 17:03
Herrlich! Kommt mir von meinem Kind bekannt vor – lachen, weinen, futtern, verdauen, schlafen – nur leider nicht in kontinuierlicher Abfolge, sondern nach einem absoluten Random-Prinzip: Stay wild, stay unberechenbar, Gretchen!
9. Januar 2007 um 02:15
Bei mir ist es morgens auch schrecklich dunkel und ich fürchte mich sehr. Aber das kommt, weil ich die Augen so fest zukneifen muss, damit mich das Licht nicht so blendet. Das Leben ist so schwierig.
9. Januar 2007 um 10:25
Gedanken zur Nacht
»Ein Dusterpuster beißt die Lampe ab
und 1000 Schwarzbiertrinker rufen Zapzerapp –
Oh Dichter, was willst Du uns sagen?
Dir schwappt der Nachtwurz aus dem Kragen.«
(Ekkard Bäuerle, 2007)
9. Januar 2007 um 11:46
@ Uschi: Um 2:15 Uhr ist es – Vollmondzeiten einmal ausgenommen – für gewöhnlich viel dunkler als draußen.
9. Januar 2007 um 12:22
Nachts, wenn alles schläft
Es ist kalt, dunkle Nacht und es ist auch schon reichlich spät,
ich steh hier vor der Tür, neben mir steht mein Schweißgerät.
Ich will rein, durch die Tür, kurz noch eben das Schloss zerstört,
ich bin drin und ich weiß, dass das alles jetzt mir gehört.
Nachts, wenn alles schläft, ist meistens keiner wach
Und weil ich das weiß, hab ich mir gedacht:
Nachts wenn alles schläft, steig ich beim Nachbarn ein
Und was ihm gehört, das ist dann einfach mein.
Was war das, ein Geräusch und ich knie hier vorm offnen Safe,
oh mein Gott, ich bin dran, denn ich riech Derricks Aftershave.
Oh, was bin ich so blöd, dass das wieder mir geschieht,
dass der gleich alle kriegt, weiß doch jeder, der Fernsehen sieht.
(Mike Krüger)
9. Januar 2007 um 13:51
Zum Obst
»Unlängst war ich im Birnenladen
und wollte frische Früchte haben.
Nach Schraubobst für die Lampenschale.
befragte ich – zum wiederholten Male
die nicht sehr helle Früchtemähre
wo dieses wohl zu finden wäre.
Die Dame meinte unbefangen:
Die Lichter sind mir ausgegangen.«
(Peter Lück, 2007)
9. Januar 2007 um 14:04
Das ist ja großartig, Herr Lück! Noch Dichter geht es kaum. Was machen Sie eigentlich beruflich? Noch etwas Obst gefällig? http://www.jensrusch.de/c3a908a0.jpg
9. Januar 2007 um 14:41
Göttlich! Dank Euch blickt das Land der Dichter und Denker nun wieder in eine helle Zukunft.
9. Januar 2007 um 14:42
“Er konnte sich nur dunkel an das Licht erinnern.”
Oder wie der Brachialromantiker sagt:
“Als ich blind war, hab’ ich schwarz gesehen.
9. Januar 2007 um 16:57
@ Elektrohard Beleuchtere:
Ihr Obstbildlink erinnert mich irgendwie an diese alte Geschichte:
http://www.blog-8.de/birne-mit-kopfchen/
9. Januar 2007 um 18:16
Wesickdoch! Musste ick ochjleich drandenken wejen deene Dichtarei, Keule!
11. Januar 2007 um 09:17
ich habe auch noch etwas (Birnen-)Obstiges
http://www.vogue.de/imperia/dw/axium/images/1/9/10/11/4117/MDpopupimage2_1_0.jpg
11. Januar 2007 um 09:59
Dazu fällt mir ein, dass unten stehende englische Firma von Mitarbeitern eine offizielle »Company-Poform« verlangt – Vorlage sogar als Download! Das steht sicher mit der von David Beckham postulierten Ideologie der Metrosexualität in Zusammenhang. Finde ich nicht so gut, es geht doch auch um innere Werte. Poform-Skandal: http://www.123telecom.co.uk/mobile.html